REITERJOURNAL-EXTRA 2018 - Donnerstag
Darauf kann man sich verlassen. Außerdem versucht er, dich immer besser zu machen. Ros Canter: Aber er spricht Fehler auch ganz klar an. Bei mir kam er nach der WM und sagte: Wir müssen über zwei Hinder- nisse bei dir im Gelände sprechen. Das britische Team wird aktuell besser und besser, das deutsche dagegen verliert weiter an Boden. Ist Chris Bartle der Grund? Ingrid Klimke: Der arme Hans (Melzer). Ei- nige sagen jetzt, dass es daran liegt. Es wa- ren Chris und (!) Hans, die uns so erfolgreich über die Jahre gemacht haben. Und letztes Jahr hätten wir ohne Chris Gold gewonnen, wenn nicht die Doping-Geschichte von Julia (Krajewski) gewesen wäre. Wäre Chris da noch dabei gewesen, hätte es beide getrof- fen. Und in Fontainebleau und Kentucky ha- ben wir auch zusammen mit beiden keine Team-Medaille gewonnen. Außerdem haben beide dasselbe System. Sie haben sehr lange gut und intensiv zusammengearbeitet. Ros Canter: Ich glaube, dass wir derzeit so gut sind, liegt auch daran, dass wir in einem Prozess der Veränderung sind. Wir haben im Moment unglaublich viele junge Reiter, die nachkommen. Und am Ende geht es immer um das richtige Timing. Das hatten wir. Ingrid – wie sehr vermisst du Chris Bartle? Ingrid Klimke: Sehr. Ich habe seit 2000 mit ihm trainiert – das waren so viele Jahre. Er hat meine Art des Reitens im Gelände so ver- ändert, aber auch in der Dressur. Mein Vater hat übrigens damals mit Chris gearbeitet und als er nach Deutschland kam, sagte er: „Nun helfe ich dir.“ Als wir in Kentucky so schlecht und enttäuscht waren, hat Chris eine Art Regelbuch geschrieben. Da ging es um den Sicherheitssitz, die richtige Vorbe- reitung, Tempo, die Verantwortung des Rei- ters und des Pferdes. Man hatte seine Haus- aufgaben zu machen. Und das hat und hilft mir bis heute weiter unglaublich. Und was hat Chris gemacht, um euch wieder an die Spitze zu bringen? Ros Canter: Ich war, als wir anfingen, im Ge- lände nicht wirklich wettbewerbsfähig. Ich hatte echt mit mir zu kämpfen. Viele haben zu mir gesagt: Du musst doch nur in die Zeit reiten. Aber wenn man sich nicht sicher im Gelände fühlt, dann kann man nicht einfach schnell reiten. Als ich nach Chris‘ Regeln ge- ritten bin, kam es zu einem Wendepunkt. Ich hatte dann eine klare Aufgabe im Kopf und habe mich schnell viel sicherer gefühlt. Ingrid Klimke: Er hat für Pferd und Reiter immer sehr individuelle Wege gefunden. Für beide. Aber er war nicht nur ein Theoretiker, er ist quasi im Sattel mit dabei gewesen. Was können die Deutschen von den Briten im Moment eigentlich lernen? Ingrid Klimke: Ich glaube, wir können von allen etwas lernen. Ob es Briten oder Franzo- sen sind. Und wir müssen immer lernen. Ros – es wurde während den Weltreiter- spielen in Tryon viel über den negativen Teamspirit gesprochen. Hattet ihr in der Ver- gangenheit auch solche Probleme? Ingrid Klimke (grätscht rein): Wir hatten überhaupt keinen negativen Teamspirit. Er war eigentlich so gut wie noch nie. Jeder hat jedem geholfen. Als wir dann in Deutschland zurück waren und das alles gelesen haben, haben wir uns alle erstmal gefragt: Meinen die uns? Wir haben gar nicht verstanden, über was da denn gesprochen wurde. Ros – aber kennt ihr solches Gerede auch? Ich bin ja erst im zweiten Seniorenjahr. Des- wegen kann ich dazu gar nichts sagen. Ich kann nur für jetzt sagen: Wir im Team GB haben alle dieselben Ziele und wir hatten großen Spaß zusammen auf allen Turnieren. Ein anderes Thema: Es gibt einige Formats- änderungen im Sport. Bald werden wir ein Fünf-Sterne-System haben sowie ein neues Olympiaformat mit nur drei Reitern pro Na- tion. Was denkt ihr über beides? Ingrid Klimke: Die fünf Sterne sind eigent- lich keine Veränderung des Sports, sondern nur eine neue Namensänderung. Ros Canter: Das stimmt. Aber das Olympia- format wird unseren Sport komplett verän- dern. Wir werden einen ganz anderen Sport haben. Wenn wir sonst ein spannendes Springen zum Abschluss hatten, kann es jetzt sein, dass eine der vorderen Nationen durch den Vet-Check vor dem Springen ei- nen Reiter verliert und man gar keine Chance mehr hat im Finale mitzumischen. Wenn wir jetzt auf die Olympischen Spiele in Tokyo in zwei Jahren blicken: Wer wird dann der nächste Olympiasieger? Ros Canter: Wer weiß… Ingrid Klimke: Natürlich wir. Das Gespräch führten Monika Schaaf und Florian Adam. Seite 38 Rei ter journal -Ext ra Donnerstag, 15. November 2018 Fotos: TOMsPic
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