REITERJOURNAL-EXTRA 2018 - Freitag
Seite 38 Rei ter journal -Ext ra Freitag, 16. November 2018 bei ihrem Comeback noch lahm war – der Aufbau hat sich über ein Jahr hingezogen. Am Ende hätte es nicht besser laufen kön- nen, oder Isabell? Isabell Werth: Ja. Ich habe es mir so erhofft, wie es gelaufen ist, aber letztlich war die Rückkehr von Bella nicht zielgerichtet Rich- tung Tryon, sondern es ging einzig darum, sie wieder in den Sport zurückzubringen. Ich habe mir damit auch keinen Mädchentraum erfüllt, sondern bei Bella Rose war es die to- tale Überzeugung, dass es das richtige Pferd ist. Es war aber schon interessant, wer dazu alles Kommentare abgegeben hat. Waren Sie eigentlich besonders angesta- chelt durch die Kampfansage von Sönke Ro- thenberger, der vorab erklärte, er wolle mit seinem Cosmo Weltmeister werden? Isabell Werth: Mich reizt ja immer der sportliche Vergleich. Aber es war einfach so ein kontinuierlicher Aufbau mit dem Zenit in Tryon. Nach Wattens und Aachen hatte ich in Cappeln das Schlüsselerlebnis. Da konnte ich beim Abreiten wieder das ganze Poten- zial von Bella Rose abrufen. In meiner gan- zen Hingabe dieser Erfahrung habe ich mich im Grand Prix dann sogar verritten – aber das hat niemand mitbekommen, weil Clip- MyHorse nicht da war. Aber der Zweikampf hat Sie schon beson- ders motiviert? Monica Theodorescu (geht dazwischen): Es war ja gar kein Zweikampf. Isabell Werth: Ich habe mich nicht auf Sönke konzentriert. Ich habe auch nicht nur einen Konkurrenten, sondern eine ganze Reihe. Aber ich konzentriere mich darauf, die ideale Abstimmung mit meinem Pferd zu finden. Alles andere war Nebenmusik und vollmundige Ansagen mag ich ja besonders. War es für Sie auch nur Nebenmusik, Frau Theodorescu? Monica Theodorescu: Mir war es wichtig, dass in der Teamentscheidung im Grand Prix alle in die richtige Richtung gearbeitet ha- ben. Das ist gut gelungen. Und der Special war einfach eine spannende Prüfung mit vie- len Ritten nahe an den 80 Prozent. Zu dem angekündigten Zweikampf kam es allerdings nicht. Aber klar, Sönke hatte sich in der Ein- zelentscheidung mehr vorgenommen. Isabell, eine Goldmedaille blieb Ihnen ja ver- wehrt. Die Kür fiel der Sorge um die Folgen des Hurricanes Florence zum Opfer. Können Sie im Nachgang mit der Entscheidung le- ben? Hätte es eine andere Lösung gegeben? Isabell Werth: Was ich an Freude und Emo- tionen erlebt habe, kann mir niemand neh- men. Das Pferd in dieser Verfassung zu prä- sentieren, war Geschenk genug. Es geht nicht darum, die 15. oder 18. Medaille zu gewinnen. Aber klar – ich hätte gerne die Kür geritten. Ich habe es aufgrund der Wet- tervorhersagen verstanden, dass so ent- schieden wurde. Wir haben alle die Wet- terapps verfolgt und im Fernsehen gesehen, wie der Sturm an der Küste tobt. Dass am Ende nur ein lauer Sommerregen kam, war ein bisschen Spott von oben. Was ich aber überhaupt nicht verstehe ist das Krisenma- nagement. Und das hat sich die FEI auf die Fahne zu schreiben. Wir hätten sowohl Samstag als auch Montag reiten können. Wir haben alle so viele Vorschläge gemacht. Monica Theodorescu: Das muss ich kom- plett so unterschreiben. Wir hätten vor und nach den Vielseitigkeitsreitern, im kleinen oder großen Stadion reiten können, aber es gab wenig Unterstützung von der FEI. Isabell Werth: Die FEI hat überhaupt nicht für die dritte Medaille gekämpft. Also „Fede- ration of the Year“ werden sie sicher nicht. Mit Blick auf Tryon und in die Zukunft: Glau- ben Sie, dass es die Weltreiterspiele in Zu- kunft noch in dieser Form geben wird? Isabell Werth: Meines Wissens gibt es bis- her keinen Bewerber. Solange die FEI solche Rahmenbedingungen hat, wird es schwer werden. Es gibt nur vier, fünf Standorte auf der Welt, die es überhaupt hergeben. Aa- chen war der einzige Ausrichter, der wirt- schaftlich erfolgreiche Spiele durchgeführt hat. Tryon kann es auch ohne Frage – in ei- nem Jahr, wenn dann alles fertig ist – viel- leicht noch Samorin, vielleicht Calgary, viel- leicht Kentucky. Aber dann fällt mir auch nicht mehr viel ein. Alles, was man neu bauen muss, kannst du eigentlich vergessen. Monica Theodorescu: Es gibt halt die Diszi- plinen, für die viel Land gebraucht wird – in der Vielseitigkeit, beim Fahren, in der Dis- tanz… Wir reiten ja nur im Viereck und er- kennen die Tragweite kaum. Isabell Werth: Naja, und dann kommt noch die Sponsorengeschichte dazu. In Aachen gingen Weltreiterspiele, aber da geht es auf- grund der Sponsorenkonstellation mit Lon- gines und Rolex nicht. Man muss auch Ver- marktungsmöglichkeiten als Ausrichter ha- ben. Der Gurt wird hier allerdings sehr eng geschnürt. Ich denke, es wäre sinnvoll, ein paar Disziplinen zu kombinieren – Dressur und Springen, eventuell Vielseitigkeit… Monica Theodorescu: …und Voltigieren und Para ginge auch. Isabell Werth: Ja, aber von ein paar Sachen wird man sich abspalten müssen. Oder man sollte sich drei etablierte Plätze suchen, die die Weltreiterspiele in Rotation ausrichten. Dann hat man Nachhaltigkeit. Wenn es so abläuft, wie jetzt, leidet am Ende alles darun- ter, der Ruf, die Stimmung. Isabell ist seit Jahren beständig mit den un- terschiedlichsten Pferden in der Spitze. Mo- nica, warum können das die anderen nicht? Monica Theodorescu (lacht): Naja, sie ist ja nicht ganz alleine in der Spitze verankert. Sie hat allerdings sehr früh angefangen und da- Fotos: TOMsPic
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