REITERJOURNAL-EXTRA 2018 - Freitag
Seite 42 Rei ter journal -Ext ra Freitag, 16. November 2018 Der sanfte Perfektionist Sebastian Heinze zeigt als U25-Bundestrainer den Nachwuchs-Dressurreitern den Weg nach oben. W enn Sebastian Heinze nicht mit 16 Jahren die Flausen im Kopf gehabt und die Schule abgebrochen hätte, um Bereiter zu lernen, dann hätte er Abitur gemacht (und er war ein guter Schüler!) und vielleicht Psychologie studiert. Oder Pädago- gik. Denn das liegt ihm. Der U25-Bundestrainer der deutschen Dres- surreiter ist ein untypischer Trainer. Es ist nicht vorstellbar, dass er laut wird oder streng. Höchstens wenn ein Reiter unge- recht mit seinem Pferd umgeht. Ansonsten spricht er ruhig und leise, fast beschwörend mit seinen Schützlingen. „Ich versuche es lie- ber auf die menschliche Art“, beschreibt der 38-jährige Westfale. Damit kommt man wei- ter. Er ist ein sanfter Perfektionist. Rein statistisch ist Heinze der erfolgreichste Pferdesporttrainer Deutschlands: Auf zwei Europameisterschaften hat er das deutsche U25-Team betreut, herausgekommen sind jeweils Mannschafts- und Einzeltitel. Und trotzdem bleibt er bescheiden. Der Pferde- wirtschaftsmeister, der Bereiter unter ande- rem am Stall Klimke in Münster und bei Heike Kemmer war, sieht die Altersklasse nicht unbedingt als Selbstzweck, um mög- lichst viel Edelmetall zu sammeln. Er will den jungen Nachwuchsreitern eine Brücke bauen von der Altersklasse der Jungen Reiter hin zum internationalen Grand Prix-Sport. Deshalb will „Seb“ Heinze, wie seine Freunde sagen dürfen, seine Schülerinnen und Schü- ler nicht auf Schleifen und Medaillen drillen. Es geht ihm um mehr: „Ich will, dass sie ein Grundgefühl für ihr Pferd entwickeln und für den Sport, ich will sie motivieren, alles aus ihrem Pferd und sich selbst herauszuho- len.“ Ein Reiter dürfe auch mal einen Fehler machen, das sei immer noch besser als vom Trainer abhängig zu sein. Er sagt: „Ein Spit- zenreiter wird der, der im Sattel Selbststän- digkeit entwickelt und immer eine Idee hat.“ Isabell Werth und Dorothee Schneider sind in diesem Sinne für ihn ein Vorbild. Klar ist, Sebastian Heinze hat den U25-Dres- sursport nicht erfunden, aber in seiner Amtszeit hat sich der Nachwuchs-Grand- Sebastian Heinze, Erfolgstrainer der U25-Nachwuchsdressurreiter Prix-Sport rasch weiterentwickelt. Deutsch- land schwimmt gewissermaßen im Nach- wuchs. Etwa 40 junge Dressurreiter von An- fang 20 stellen sich zu Beginn des Jahres bei einem Lehrgang für den Piaff-Förderpreis vor, der traditionell in Balve beginnt und hier in Stuttgart im Finale mündet. Die bes- ten acht Reiterinnen (meistens sind es junge Damen) reiten um den Sieg und den Preis der Liselott Schindling Stiftung. Der Na- mensgeber Piaff trug Liselott Linsenhoff 1972 zum Olympiasieg. Der Hengst wurde seinerzeit zur Legende. Früher lagen zwischen der Junge Reiter-Zeit und dem Grand Prix die Alpen, wie es einmal ein Reitmeister formulierte. Das hat sich ge- ändert, wie der Bundestrainer betont. „Es ist viel leichter geworden“, erklärt er. Nicht nur wegen der Altersklasse, es gibt mittlerweile auch Aufgaben wie Intermédiaire A und B, die einen Einstieg erleichtern. Und er hat be- obachtet: „Gute Trainer blicken jetzt schon während der Junge-Reiter-Zeit mit ihren Schülern in Richtung Grand Prix, weil die Schwelle nicht mehr so hoch ist“. Heinze ist stolz darauf: „Deutschland ist da Vorreiter.“ Es versteht sich von selbst, dass er eng ver- netzt mit Bundestrainerin Monica Theodo- rescu zusammenarbeitet. Beide stimmen zum Beispiel ab, wann „U25er“ bereits inter- nationale Starts wagen sollten. Der Über- gang sollte so fließend wie möglich sein, die Schwelle möglichst niedrig. Das System hat Hand und Fuß, betont er. Zum Beispiel ist am DOKR in Warendorf ein Perspektivkader zusammengefasst, den er an zwei Tagen in der Woche betreut, dazu den U25-Kader. Nach einem Sichtungslehr- gang im Frühjahr hat der Bundestrainer „eine Idee“, wie er sagt, welche Paare für die Europameisterschaft in Frage kommen könnten – und wen er im Piaff-Preis weiter im Auge behält. Das sind wieder Entschei- dungen, die er gerne im Team abspricht. Denn klar ist auch: Die Nachwuchs-Trainer im Dressursport haben immer seltener mit „Pferdeleuten“ zu tun, mit denen fachliche Entscheidungen auf Augenhöhe zu bespre- chen sind. Ärger gibt es im U25-Lager den- noch selten. Denn wer mit Sebastian Heinze Krach bekommen will, der muss sich schon ganz schön anstrengen. Roland Kern Foto: Krenz
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