REITERJOURNAL-EXTRA 2018 - Samstag
Seite 38 Rei ter journal -Ext ra Samstag, 17. November 2018 und bin dann schnell ehrgeizig geworden. Ich habe gemerkt: Das reizt mich mehr. Philipp, bei dir war es immer klar, dass du mal professionell reiten willst? Philipp Weishaupt: Eigentlich ja. Ich habe mich durchaus schon mal in der Vergangen- heit gefragt, was ich sonst noch gerne ma- chen würde… aber da kam nicht so viel. Wie ist das eigentlich unter euch – Freunde oder Konkurrenten? Philipp Weishaupt: Das Gefühl von Konkur- renten habe ich überhaupt nicht. Es geht ja immer mal einen Tag so, einen anderen so. Natürlich gewinne ich lieber, aber letztlich haben wir es Ludger zu verdanken, dass es im Stall keine Konkurrenz gibt. Christian Kukuk: Ja, er lebt uns das regel- recht vor, das Miteinander. Philipp Weishaupt: Er hat ja auch nie das Problem, mal sein bestes Pferd abzugeben. Eine Zeit lang waren wir mit Marco, Henrik und mir – und zusammen mit Ludger – mit vier Reitern unter den Top 30. Es ist gerade die Stärke des Stalls, dass er immer guckt, welches Pferd zu wem am besten passt. Und diese Entscheidungen sind auch immer nachvollziehbar. Ich glaube, deswegen ist das Level auch so hoch im Stall. Christian Kukuk: Ja, wir pushen uns da- durch gegenseitig. Jeder will am anderen dranbleiben, aber positiv. Also eine „Rangordnung“ unter den Berei- tern gibt es nicht? Früher hatte man das Ge- fühl, dass Marco Kutscher vielleicht der erste ist, dann kamst du vom Gefühl, Philipp… Philipp Weishaupt: Nein. Jeder macht sei- nen Job und jeder hat ja seinen eigenen Stall. Letztlich kann man auch nicht anhand der Weltrangliste ableiten, wer seinen Stall er- folgreicher managt. Wenn einer mit jungen Pferden super erfolgreich ist, macht er ja nicht weniger für den Stall als einer, der sich gerade im Weltcup-Springen platziert. Ihr agiert also quasi autark für euch? Jeder regelt alles für sich allein? Philipp Weishaupt: Ja, wir müssen unser Personal selbst im Griff haben, wir können auch selbst entscheiden, ob wir einen Pfle- ger mehr brauchen oder nicht… aber am Ende des Tages muss das Ergebnis stimmen. Dann tragt ihr für euren Stall auch wirt- schaftlich Verantwortung und plant die Pfer- deeinsätze selbst? Philipp Weishaupt: Ja. Christian Kukuk: Montags haben wir im- mer ein Meeting mit allen. Da stellt jeder sei- nen Plan vor und es wird offen besprochen, ob der Sinn macht oder nicht. Ludger äußert sich dann dazu, wie er unsere Ideen findet. Philipp Weishaupt: Oft ist der Einsatz aber auch selbsterklärend. Würde euch Ludger Beerbaum morgen vor die Tür setzen, für wen würdet ihr dann gerne arbeiten? Marcus Ehning (vom Nachbartisch la- chend): Das ist mal ’ne geile Frage. Christian Kukuk: Puh, darüber habe ich noch nie nachgedacht. Philipp Weishaupt: Ich glaube, ich würde dann für mich arbeiten. Ja, eure Vorgänger Marco Kutscher und Hen- rik von Eckermann haben sich irgendwann für die Selbstständigkeit entschieden… Sucht ihr auch den Absprung? Christian Kukuk: Also ich nicht. Philipp Weishaupt: Man weiß nie, was in fünf oder zehn Jahren ist, aber aktuell über- haupt nicht. Man fühlt sich bei Ludger ja auch nicht wie im Angestelltenverhältnis. Man kann machen und tun, was man will. Philipp – du hast dich dieses Jahr vom Geld mehr als von Medaillen locken lassen bzw. hättest du gerne den Millionen-Grand Prix in Calgary und die WM kombiniert. Otto Becker wollte hingegen, dass sich jedes Team-Mit- glied auf die WM konzentriert. Konntest du Ottos Entscheidung gegen dich verstehen? Philipp Weishaupt: Ja. Die Bedenken von Otto, dass beides zu viel ist, kann ich nach- vollziehen. Ich hätte allerdings die Möglich- keit gesehen, dass man erst nach Calgary entscheidet, ob mein Pferd fit ist oder nicht. Insofern hätte ich mir schon gewünscht, dass es etwas anders gelaufen wäre. Werden Medaillen denn unwichtiger? Philipp Weishaupt: Es kommt darauf an, welche, aber Weltmeisterschaften und Olympische Spiele sind schon was Geiles. Mein Nummer-1-A-Traum ist es ja nicht, ir- gendeinen hochdotierten Großen Preis zu gewinnen, sondern einmal Olympiasieger oder Weltmeister zu werden. Das hat einen ganz anderen Stellenwert als Große Preise. Und die zwei Großen Preise, die man im Le- ben mal gewinnen will – Aachen und Calgary – habe ich ja schon gewonnen. Christian, du bist noch nicht so weit wie ein Philipp, wenn es um Championatseinsätze und den Gewinn von Millionen-Grand Prix geht.. Aber was wäre dir wichtiger? Christian Kukuk: Ich habe da den gleichen Traum wie Philipp. Für mich ist es das Ziel, einmal mit dem Team an den Start zu gehen. Wenn wir das richtig sehen, dann bist du, Philipp, mehr der Draufgänger im Sattel, Christian hingegen mehr der Stilist… oder liegen wir da falsch? Philipp Weishaupt (irritiert): Sehe ich so Scheiße aus? (lacht) Aber es stimmt schon, ich reite schon gerne mal auf Angriff. Christian Kukuk: Philipp ist schon mehr der Draufgänger als ich. Aber es gibt wenige, die so drauf gehen, und dabei so gut ausse- hen wie er. Das hat alles Hand und Fuß. Fotos: TOMsPic
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