REITERJOURNAL-EXTRA 2018 - Sonntag
Sonntag, 18. November 2018 Seite 13 Landesreit- und Landes- fahrschule Reinschauen, anmelden, ankommen – mit Freude und Erfolg lernen: www.gestuet-marbach.de Reit- und Fahrlehrgänge Kurspläne 2019 online! Haupt- und Landgestüt Marbach mit Landesreit- und Landesfahrschule – das älteste staatliche Gestüt Deutschlands – 72532 Gomadingen-Marbach Tel. (073 85) 96 95-0 www.gestuet-marbach.de LRFS 43x273.indd 1 07.11.18 15:51 W ie ein kleiner Zinnsoldat wirkt Pius Schwizer, wenn er geht, wenn er steht. Sein Schritt ist stramm, wenn er mit „Bounty“, seinem Jacky unterwegs ist, die Nase trägt er meist ein klein wenig höher als andere, vielleicht auch, um etwas größer zu wirken. Schwizer hat es schwer, über so manchen Widerrist zu schauen. Aber an Prä- senz mangelt es dem Reiter aus der Schweiz nicht. Im Gegenteil. Schwizer ist voll da. Sein Lachen ist ansteckend, durchdringend, er ist nie um einen flotten Spruch verlegen und auch im Sattel ist der Reiter aus Oensingen im Kanton Solothurn eine große Nummer. Seit Jahren, fast Jahrzehnten gehört der Olympiadritte mit der Mannschaft von Hongkong zu den Besten der Welt. Dass er in diesem Jahr um seinen Platz in Stuttgart kämpfen musste, ist der Tatsache geschul- det, dass die Schweiz nur zwei Weltcup- Plätze hat – und die WM-Medaillisten Steve Guerdat und Martin Fuchs sind vor ihm. Aber Pius Schwizer kennt es, zu kämpfen. Seine Karriere wurde nicht durch reitende Eltern oder ein reiches Elternhaus geebnet. Pius lernte Metzger. Sein Vater war Vieh- händler. „Wer ein guter Reiter werden will, muss Metzger werden“, hieß es damals von seinem Vater. Viele Reiter in der Schweiz lernten damals das Schlachten. Auch Willi Melliger. Man dachte, wer im Beruf mit Vieh zu tun hat, kann auch gut mit Pferden. Schwizer hinterfragte das auch gar nicht. Was sein Vater sagte, wurde gemacht. „Die Zeiten waren anders“, erzählt der Mann- schafts-Europameister von 2009. „Heute können die Kinder frei entscheiden. Das war ganz sicher nicht mein Traumberuf.“ Doch der Vater unterstützte Pius in seinem Wunsch, Springreiter zu werden. Ihm selbst wurden dafür zu viele Steine in den Weg ge- legt. Deswegen war er doppelt so heiß, dass sein Sohn es zu etwas im Sattel bringt. Die Schule, durch die Pius bei seinem Vater ging, war hart. Bei ihm gab es nur „Weiter“. Doch die Strenge, die der ambitionierte Sportler bei seinem Vater erfuhr, sieht Schwizer heute als Vorteil: „Die Härte lehrt einen, sich überall durchzubeißen.“ Der German Master-Sieger vom Freitag- abend entwickelte Biss, aber auch einen aus- geprägten Ehrgeiz. Der war in der Anfangs- zeit seiner Karriere nicht immer gesund, wie er heute zugibt. „Ich verlangte oft zu viel von meinen Pferden“, so der Mann mit den Sie- gesgenen ehrlich. „Ich habe Pferde, die zu dem Zeitpunkt vielleicht noch nicht so weit waren, auch mal mit meinem Talent über ei- nen Parcours gedrückt. Heute weiß ich: Ein Pferd muss sich wohlfühlen, damit man langfristig was von ihm hat. Ich musste ler- nen, mich zu beugen.“ Pius Schwizer ist ge- reift. Auch, wenn das Warten nicht zu seinen Stärken zählt, hat er es gelernt. Zu diesem Prozess hat ebenso Pferdepflegerin Kathrin beigetragen, die er als absoluten Glücksfall bezeichnet. „Früher war ich im Einsatz von Pferden echt brutal, hab sie viel zu oft zu schwer an den Start gebracht. Das ging echt auf die Kosten der Pferde. Heute verbiete ich meinen jungen Reitern sowas.“ Auch wenn Schwizer im Umgang mit den Pferden umgedacht hat – von seinen Schü- lern verlangt er immer hundert Prozent und mehr. „Da bin ich auch mal schnell auf 100, wenn sie es nicht so begreifen, wie ich es will“, lacht der Disziplinierte, der in seinem Leben nie geraucht oder Alkohol getrunken hat, dafür neben dem Reiten zwei Halbmara- thons mit an die tausend Teilnehmer gewon- nen hat und lange Zeit Erst- und Zweitliga- Fußball in der Schweiz spielte. Ans Aufhören denkt Pius Schwizer noch gar nicht. Der Weltklasse-Reiter ist jung im Kopf geblieben. Manchmal ist er selbst über- rascht, wenn er feststellt, dass er ja schon 56 Jahre alt ist. „Ich habe zwei Freunden gesagt, dass sie mir Bescheid geben sollen, wenn ich es nicht mehr merke, dass es nicht mehr geht“, grinst der Reiter mit dem Schalk im Nacken. Ein Traum-Szenario für ein Karrie- reende hat er sich aber schon ausgemalt. In zwei Jahren, wenn er in Tokio Olympiagold gewinnt, dann würde er gerne absteigen und gehen. Doch Pius Schwizer ist Realist: „Da- von träumen auch andere.“ Monika Schaaf lernen beugen!“
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