REITERJOURNAL-EXTRA 2019 - Samstag
Seite 34 Rei ter journal -Ext ra Samstag, 16. November 2019 Von der Alb nach Tokio Der Südkoreaner Young Shik Hwang peilt einen Start bei den Olympischen Spielen an – Im Training bei Martin Schaudt A bissle“, sagt Young Shik Hwang, wenn man ihn nach seinen Deutschkennt- nissen fragt und grinst schelmisch. Er kann dieses eine Wort. Sein Wortschatz in Deutsch und Schwäbisch ist deckungsgleich. Der 29-jährige Dressurreiter und mehrfache Sieger der Asien-Games ist ein Botschafter seines Heimatlandes Südkorea, obwohl er seit über zehn Jahren immer wieder in Deutschland lebt und hierzulande als Sport- ler viel bekannter ist als in seinem Heimat- land. Dort hat das Dressurreiten nämlich eine eher geringe Bedeutung. Das macht aber nichts. Nicht einmal seinem Landsmann und Sponsor Mon Jin-Chung, ei- nem reichen Bauunternehmer aus Seoul. „Die südkoreanischen Unternehmer unter- stützen gerne ihre Sportler in den westlichen Staaten“, erklärt Martin Schaudt, Hwangs Trainer. Der 60-jährige Dressurausbilder und zweifache Olympiasieger ist mittler- weile zum Asienkenner geworden. Vor zwölf Jahren schon hat er den jungen Südkoreaner unter seine Fittiche genommen, was damals einen sehr klaren Grund hatte: Südkoreaner, die als Sportler bei Asien-Meisterschaften eine Goldmedaille gewinnen, werden vom Militärdienst befreit. Der Erfolg ist Verdienst fürs Vaterland genug und rechtfertigt die Fahnenflucht. Also schickte Hwangs Vater, ein vermögender Reisbauer und Reitstallbe- sitzer, seinen Sohn damals zum Olympiasie- ger auf die Schwäbische Alb statt ans Schieß- gewehr. Der Plan ging auf. Hwang wurde als junger Kerl auf einem Pferd aus dem Onstmettinger Schaudt-Stall Asienmeister, fand kurz darauf Mon Jin- Chung als Sponsor und blieb in Deutschland. Mit seiner Frau Suna, die fließend Englisch und Deutsch spricht, wurde Hwang auf der Alb ansässig. Vor sechs Monaten kam Sohn Eden im Balinger Kreiskrankenhaus auf die Welt. Er soll hier aufwachsen, einen deut- schen Pass bekommen und später selbst wählen, wo er leben will. In Südkorea ist bei- leibe keine heile Welt, beschreibt Hwang. Die Umweltverschmutzung ist ein großes Thema, vor allem seit dem Atomunglück in Fukushima nahe der Landesgrenze, das Ver- hältnis zu den Nachbarländern Japan und China sei angespannt, der Südkoreaner an sich neige zu Ungeduld, Eifer und „hot blood“, wie er sagt. Hwang macht keinen Hehl daraus, dass Frau und Kind auf der idyl- lischen Schwäbischen Alb in sicherem Um- feld wohnen. Sein Schüler, weiß wiederum Trainer Martin Schaudt, sei übrigens ein eher untypischer Südkoreaner: ruhig und entspannt. Vielleicht ist es aber auch die gute Alb-Luft nach zehn Jahren. Schaudt hat ja auch die Ruhe weg. Mon Jin-Chung ermöglicht seinem Reiter in Europa ein gutes Leben. Im Gegenzug prä- sentiert sich dieser als Botschafter eines weltoffenen Landes, mit besten Manieren und sportlichen Erfolgen: als Werbeträger der südkoreanischen Heimat. Zweimal schon wurde Hwang baden-würt- tembergischer Landesmeister, was in der Tat ein bisschen kurios anmutet. Aber das Regelwerk lässt es zu. Der Asiate reitet nati- Der südkoreanische Dressurreiter Young-Shik Hwang mit seiner Frau Suna und dem sechs Monate alten Sohn Eden Fotos: TOMsPic
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