REITERJOURNAL-EXTRA 2019 - Sonntag
Seite 14 Rei ter journal -Ext ra Sonntag, 17. November 2019 „Was habe ich für ein Glück, beides miteinan- der verbinden zu können.“ Der Olympiasie- ger, der auch unnahbar sein kann, wird emo- tional, wenn es um Pferde geht. Demut? „Ja, so kann man das wohl sagen“, denkt er laut nach. Steve Guerdat, Sohn ei- nes Olympiareiters und internationalen Aus- bilders, hat sein Leben den Pferden ver- schrieben und hat es nie bereut. Mit 15 Jah- ren ritt er als Bub seine ersten Europameis- terschaften, mit 22 seine ersten olympischen Spiele. Da hatte er wegen der Reiterei schon eine Weile die Schule abgebrochen. Nicht, weil er schon alles wusste – Pferde sollten fortan seine Lehrmeister werden. Die ersten Jahre der Berufsreiterei waren eher turbu lent. Der holländische Pferdeunternehmer Jan Topps heuerte ihn als Bereiter an. 2007 machte er sich wieder selbstständig, 2017 mit einem eigenem Stall in Elgg im Kanton Zürich. Es ist typisch, wie er seine Anlage beschreibt, denn es geht ja nicht um ihn selbst: „Ein Traum für Pferde.“ Oberschwaben und der Bodensee liegen nicht weit entfernt; der Top-Reiter hat einige Verbindungen zu Ba- den-Württemberg. Mit dem Hofgut Albfüh- ren im Landkreis Waldshut-Tiengen verbin- det ihn eine echte Partnerschaft. Als Albfüh- ren-Bereiter Marian Müller am Donnerstag das BW-Bank-Springen gewann, jubelte Steve Guerdat laut. „Marian ist ein cooler Typ“, findet er. Martin Fuchs und er gehör- ten zu den ersten Gratulanten. Albführen-Eigentümer Walter Frey gehört zu seinen treuen Mäzenen. Den Finalsieg im Weltcup holte Guerdat 2015 in Las Vegas mit Albführens Paille, seinen Olympiasieg 2012 verdankt er dem Franzosenwallach Nino de Buissonnets, den sein Sponsor Urs Schwarzenbach zuvor vom Stall Marschall in Heiligkreuztal erworben hatte. Der Mann hat Prinzipien. Zum Beispiel mei- det er – fast als einziger der Top-Reiter – die millionenschwere Global Champions Tour seines früheren Arbeitgebers Jan Topps, weil er nicht einsehen will, dass Geld wichti- ger sein soll als die sportliche Leistung. „Na- tionenpreise müssen die wichtigsten Prüfun- gen bleiben“, fordert er, „denn ohne Natio- nenpreise sind die Olympischen Reiterspiele in Gefahr.“ Reitsport als Hobby der Reichen, Steve Guerdat startet heute mit Venard de Cerisy im Großen Preis. das gefährde den Sport, warnt er. Auch gegenüber den Funktionären der FEI findet Guerdat immer wieder deutliche Worte, zuletzt wegen der Änderung im olym- pischen Regelwerk, mit der ein vierter Star- ter im Nationenpreis gestrichen wird. Sein offenes Visier verschafft ihm auch im Kreis der Kollegen Anerkennung. „Der traut sich was“, heißt es immer wieder. Er versteht nicht, warum man sich nicht der großen Tradition des Pferdesports besinnt. Da spricht auch der Sohn des früheren Nati- onenpreisreiters Philippe Guerdat, der eine gewisse Ehrfurcht vor den Wegbereitern des Sports hat – auch vor den berühmten histo- rischen Plätzen des Springsports. „Nationen- preis-Turniere haben eine Geschichte“, fin- det Guerdat. Und er spürt für sich, dass es „im Sport um mehr geht als um Erfolge, so- gar mehr als um den ersten Platz auf der Weltrangliste“. Der Mann aus der Schweizer Provinz ist wohl aktuell der modernste Tra- ditionalist im weltweiten Pferdesport. „Wir profitieren doch heute von dem, was Generationen vor uns aufgebaut haben, das sollten wir achten und dankbar sein“, fordert der Schweizer mit der klaren Kante des Mat- terhorns. Roland Kern Foto: Krenz
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