REITERJOURNAL-EXTRA 2019 - Sonntag

Seite 20 Rei ter journal -Ext ra Sonntag, 17. November 2019 F ünf Minuten bevor die erste Startglocke ertönt, setzt sich Carsten Sostmeier in Ruhe ans Mikrofon. Er scherzt mit den Richtern und den Technikern, breitet in aller Ruhe die Starterliste vor sich aus, die er handschriftlich ergänzt hat. Abschätzend lässt er den Blick kreisen über der Schleyer- Halle. Gleich werden 6000 Menschen sprichwörtlich an seinen Lippen hängen – ohne dass sie ihn sehen können. Viele Zu- schauer ahnen nicht einmal, wo der Stadi- onsprecher seinen Platz hat: oben zwischen Technik und Jury. Zwei Minuten noch bis zum ersten Start in dieser Prüfung, es ist der Vierspänner-Welt- cup. Soundist Markus Hinzke, olympiaerfah- rener Schwabe, spielt eine Fanfare ein. Cars- ten Sostmeier, in der Szene und von sich selbst nur „Sosti“ genannt, zieht das Mikro aus der Halterung und räuspert sich. Punkt- genau beim letzten Ton legt er seine sonore Stimme wie eine Flauschedecke über die Arena. Einer herzlichen Begrüßung des Pub- likums folgt die kurze Erläuterung des Regle- ments und gleich die Vorstellung des ersten Kutschers. Sachlich aber charmant, ein biss- chen frech, wie es (meistens) „Sostis“ Art ist, nie um einen Spruch verlegen, der den Nagel auf den Kopf trifft. Seit über 30 Jahren macht der 59-jährige gelernte Bankkaufmann diesen Job; er ist die Stimme des Reitsports in Deutschland, Kom- mentator unzähliger Fernseh-Übertragun- gen, mit Preisen dekoriert und viel gebuch- ter Stadion- und Hallensprecher. Auch in Stuttgart; er ist von Anfang an dabei. „Dieses Turnier ist ein Teil meines Lebens“, sagt er – eine gewisse berufsbedingte Theatralik in der Stimme. Sostmeier hat nicht wie die meisten seiner jüngeren Kollegen einen Lap- top vor sich stehen, um daraus aktuell die Erfolge der Reiter oder Fahrer abzulesen. Seine Vorbereitung hat stattgefunden, bevor das Turnier begonnen hat. Ganz alte Schule, führt er zu Hause in einer Reihe von Akten- ordnern ein Archiv, das er Woche für Woche ergänzt. Rund 2000 Reiter führt er darin, dazu hat er mehrere Ordner mit Hengsten und Abstammungen. Wenn bei einem Tur- nier die Reiterlisten bekannt sind, setzt er sich zu Hause hin und sucht die passenden Namen heraus, die er ergänzt. Und dennoch: „Mein Archiv bestimmt nicht meine Arbeit“, stellt er klar, „sondern der Sport.“ Die frühzeitige Vorbereitung hält dem gebürtigen Nordhessen im Einsatz den Rücken frei, da kann er improvisieren. Den Vierspänner-Weltcup begleitet er mit ausführlichen Kommentaren zum Beispiel in den Hindernissen, immer wieder erklärt er, worauf es gerade ankommt, spielt sich mit Musikmann Hinzke kongenial die Bälle zu, scherzt schelmisch, als ein Gatter umfällt: „Auf eine Baustelle mehr kommt es in Stutt- gart auch nicht an.“ Das ist Unterhaltung pur. Er taucht in den Sport ein, gestikuliert und passt gekonnt die Tonlage dem Inhalt an. Er spricht mit dem ganzen Körper. So ist „Sosti“ nicht immer, er schaut sich ge- nau an, worum es geht. Es gibt spannungs- geladene Spring- und Dressurprüfungen, da steuert er nur das Notwendige bei. Mehr nicht. „Du musst das Publikum lesen können und dann entscheiden, was angemessen ist“, rät er. Nie dürfe es um die Eitelkeiten des Sprechers gehen, betont er. Sein Ziel viel- mehr: „Ein vornehmer Begleiter des Sports Der Publikum-Versteher Carsten Sostmeier ist seit vielen Jahren die Stimme des Reitsports in Deutschland und hier in der Schleyer-Halle. Die Stimme des Reitsports in Deutschland: Carsten Sostmeier Fotos: Krenz

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