REITERJOURNAL-EXTRA 2019 - Sonntag
Seite 42 Rei ter journal -Ext ra Sonntag, 17. November 2019 Gehen, wennʼs am schönsten ist Dressurexperte Dr. Dietrich Plewa verabschiedet sich in Stuttgart vom internationalen Richtertisch. A ufhören kann er. Dr. Dietrich Plewa ist ein stolzer Mann. Nie im Leben würde er sich sagen lassen, wann er zu ge- hen hat. Er mag es lieber, vermisst zu wer- den. Wie gestern hier in der Schleyer-Halle. Mit etwas ungläubigen Blicken registrierten die Dressurfans im Rahmen der Grand Prix-Siegerehrung seine Verabschiedung. Verabschiedung? Mit 72 Jahren? „Ich höre lieber auf, wenn ich es selbst entscheiden kann“, erklärte der wahrscheinlich größte Dressurexperte Baden-Württembergs. Plewa ist nicht nur offizieller internationaler Rich- ter (zumindest bis gestern) gewesen, Cham- pionatsrichter, Kommentator und Rich- ter-Ausbilder. Er selbst hat in seiner aktiven Zeit über 150 S-Dressuren gewonnen, ein halbes Dutzend Grand Prix-Pferde ausgebil- det, ist – mit Norandus – in der Aachener Soers geritten, hat Bundeschampionatssie- ger präsentiert und – hier in der Schleyer- Halle – das erste Hallenchampionat gewon- nen. Das war 1991 mit Geronimo. Er ist aber auch ein rhetorisch geschliffener Kommen- tator bei großen Jungpferde-Turnieren, Ko- lumnist, Referent und Buchautor. Bei internationalen Richtern gibt es (außer bei Championaten) keine Altersbegrenzung. Plewa sagt trotzdem jetzt Adieu. Wie man ihn kennt, nicht ohne zumindest eine kleine Verbalspitze in Richtung Verband abzu- schießen. Die Altersgrenze sei zwar immer noch „die beste unter vielen schlechten Vari- anten“, eine Richterkarriere zu beenden. Aber sie sei diskriminierend und juristisch ohnehin anfechtbar. Sagt der erfahrene Ju- rist und Rechtsanwalt. Aber das ficht ihn nun nicht mehr an. Er hat ja von allein aufgehört. Übrigens – wie es seine Art ist – nicht, um etwas zu beenden, sondern, um etwas anzufangen. Er will mehr Zeit für nationale Prüfungen, für Jungpfer- de-Championate und, man höre und staune, mit 72 Jahren für seinen Beruf! Das hat einen besonderen Grund. Denn seine Tochter Tara (25), die selbst bis zur Klasse S reitet, wird auch Juristin. Sie interessiert sich – wen wundertʼs? – für Pferderecht. Je- nem Metier, in dem der Vater eine Koryphäe ist. Und sie will in ein bis zwei Jahren in die Kanzlei einsteigen, die Plewa im rhein- land-pfälzischen Germersheim mit Kollegen betreibt. Er will ihr das Geschäft mit den Pferdestreitigkeiten nach und nach überge- ben. Dr. Dietrich Plewa hat die Dressurrei- terei in Baden-Württemberger geprägt wie kaum ein anderer, obwohl er die wenigste Zeit im Land gewohnt hat. Aber er war Lan- destrainer, Fachgruppensprecher und viele Jahre sportliches Aushängeschild. Bis heute steht er auf der baden-württembergischen Richterliste, obwohl die Familie im pfälzi- schen Rheinzabern bei Germersheim zu- hause ist - ihre Pferde auch. Und das kam so: Dietrich Plewa, der schon als junger Mann so stark ritt wie ein Profi, kam in den späten 60er-Jahren zum Ju- ra-Studium nach Frankfurt, wo der legen- däre deutsche Bundestrainer Bubi Günther zu Hause war. Er erkannte das Talent des jungen Studenten und förderte ihn. So blieb der gebürtige Münsteraner im Süden der Re- publik. In Wiesental bei Karlsruhe entdeckte in den 70er-Jahren ein Industrieller namens Dr. Herbert Bauer den Pferdesport und er- öffnete einen Turnierstall. Er heuerte den jungen Plewa als Bereiter an. Seither ist Ba- den-Württemberg seine reiterliche Heimat. Von 1990 bis 2002 war er sogar Landestrai- ner. Auch dieses Amt gab er auf, als es am schönsten war. Man trauert ihm heute noch hinterher. Wer Plewa kennt, der ahnt, dass er sich auch nach seiner internationalen Richterkarriere nicht heraushalten wird. Er hat auch schon eine neue Mission: den Dres- sursport modernisieren, sodass er populärer wird. Dafür wird er kämpfen. Und damit wird er auch nicht aufhören. Roland Kern Standhaft: Dressurexperte Dr. Dietrich Plewa Foto: Krenz
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