Seite 30 Rei ter journal -Ext ra Freitag, 11. November 2022 Isabell Werth, 2022 ist für Sie ein Jahr des Abschiednehmens. Da war die Verabschiedung Ihrer Top-Pferde Weihegold und Bella Rose, der Tod Ihres Herzenspferdes Satchmo. Man kennt Sie als emotionalen Menschen, wie sehr geht Ihnen das nach? Dieses Jahr war natürlich ein Wechselbad der Gefühle für mich. Die beiden Verabschiedungen waren lange geplant, und ich konnte mich darauf vorbereiten. Natürlich ist das jedesmal sehr emotional und bewegend, aber es sind Zeremonien geworden, die den beiden Pferden jeweils würdig waren. Da bleibt ein gutes Gefühl. Und Satchmo ist 28 Jahre alt geworden, hat ein langes und erfülltes Pferdeleben bis zum Schluss genießen können. Natürlich fehlt er, aber auch da bin ich mit mir im Reinen. Lassen Sie uns noch zwei Sätze über Satchmo reden, der ja hier in der SchleyerHalle Höhen und Tiefen hatte, aber genau hier verabschiedet wurde, das war 2011. Was war so besonders an ihm? „Die Existenzfrage für den Sport ist real“ Isabell Werth im Interview über ihre besten Pferde, ihre Pläne für Olympia 2024 und über die Attacken von Tierschutz-Organisationen auf den Reitsport Alle Pferde, die in einem solchen Rahmen verabschiedet werden, haben bedeutende Erfolge verbucht und ihre Zeit geprägt. Eine würdige Verabschiedung haben sie verdient. Ich fühle da eine moralische Verpflichtung. Satchi hatte eine Alleinstellung bis zu seinem letzten Tag, mit seinem Pony auf der Weide. Er ruhte in sich, wie ein Buddha. Ihre Saison 2022 verlief bislang in Höhen und auch Tiefen. Was überwiegt im Rückblick? Wenn wir es mal Revue passieren lassen: Da war die Disqualifizierung durch die „Blood Rule“ in Aachen. Wir wissen, dass dies immer passieren kann, auch ohne Einwirkung der Reiterhand. War der Vorfall Ihnen trotzdem peinlich? Nein, peinlich wäre der völlig falsche Ausdruck. Ich war enttäuscht, weil ich mir etwas vorgenommen hatte. Und es hat mir leid getan für die Mannschaft. Ich habe von dem Blut auch erst gar nichts gesehen, wahrscheinlich wie 90 Prozent der Zuschauer. Als geläutet wurde, dachten alle, ich hätte mich verritten. Ich übrigens auch. Ich weiß, dass es jedem passieren kann. Aber wenn es das erste Mal nach 30 Jahren passiert, dann noch auf einem so wichtigen Turnier, dann ärgert man sich schon. Das ist eben Pech, aber kein Drama. Die Entscheidung der Jury war aber völlig richtig. Dann Quantaz’ Aussetzer auf dem Schafhof – haben Sie den Grund analysiert? Tja, Quantaz ist eben auch so ein Pferd mit einem besonderen Charakter. Er ging seine ersten Einsätze in wichtigen Prüfungen ja in der Corona-Zeit. Da herrschte auf Turnieren eine völlig andere Atmosphäre als jetzt wieder in vollen Stadien und Hallen. Das war er nicht gewöhnt. Wir haben dann einmal den Reset-Knopf gedrückt und in Herning wieder geliefert, das war wichtig. Auf solche Zwischenfälle folgt heutzutage stets ein Shitstorm in den sozialen Netzwerken, haben Sie sich daran gewöhnt? Ich weiß nicht, ob man sich daran gewöhnen sollte, dass Menschen beleidigt oder verletzt werden sollen. Aber ich kann mittlerweile entspannt damit umgehen. Ich lese das gar nicht. Wer das noch nicht mitgemacht hat, ist nicht lange genug oben. Wer glaubt, man könne in unserem Sport Everbody’s Darling sein, wird auch noch seine Erfahrungen machen. Ich komme mittlerweile mit beiden Phänomen gut klar: mit den Schulterklopfern und den Shitstormern. Glauben Sie, dass Sie nochmal ein Pferd bekommen, von dem Sie sagen, es sei das Beste Ihres Lebens? Oder waren das Satchmo, Weihegold oder Bella Rose? Ja, das hoffe ich. So lange ich reite, will ich natürlich lieber einen Formel Eins-Wagen fahren als eine Familienkutsche. Unser Joshua (achtjähriger Holländer von Sezuan, den Werth-Mäzenin Winter-Schulze am Stall Helgstrand gekauft hat, Anm. d. Redaktion), ist ein Pferd mit so viel Talent und Potenzial, dass ich ihn in eine Reihe stellen würde mit meinen erfolgreichsten Pferden. Aber wir alle wissen: Er muss sich erst im Grand Prix beweisen. Das wird nächstes Jahr der Fall sein, dann schauen wir weiter. Sie sind auch Trainerin im Exzellenz-Programm des Aachen-Campus. Man hat das Gefühl, diese Aufgabe weckt in Ihnen eine große Leidenschaft. Können Sie sich vorstellen, dass Trainieren einmal wichtiger wird als selbst im Sattel zu sitzen? Ja klar. Das Campus-Programm ist wirklich eine tolle Sache und macht riesigen Spaß. Man lernt neue Talente kennen und kann verfolgen, wie sie sich entwickeln. Wie zum Beispiel Moritz Treffinger aus Baden-Württemberg mit seiner Familie. Das sind Menschen, die sind mit viel Lebensfreude bei den Pferden. Seine Entwicklung freut mich sehr. Wenn wir schon bei der Zukunft sind, wie sieht es Ihrer Ansicht nach aus für den Pferdesport angesichts zunehmender Kritik von Tierschutzorganisationen? Nicht gut, und es ist höchste Zeit, dass wir entgegenhalten und gegenüber selbst ernannten Tierschützern klarmachen, dass wir Foto: TOMsPic
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