Sonntag, 13. November 2022 Rei ter journal -Ext ra Seite 35 Saal 2: S7 ✫ Saal 5: F 1.01 ✫ Haupteingang, Foyer E2: H.1.1 Wir freuen uns auf euch Wenn es eine Lösung des Glaubwürdigkeitsproblems gibt, dann liegt sie in der Auflösung dieser Diskrepanz. Das heißt, Sie fanden es damals nicht gut, dass der Verband seinen Reiter Christian Ahlmann strenger bestraft hat als andere Föderationen? Darin lag auch so ein Bruch. Das war einfach ungerecht. Ein Verband macht sich unglaubwürdig, wenn er Jagd auf den eigenen Reiter macht. Haben Sie die Zurückhaltung der FN bei dem so genannten „Barr-Video“ von RTL verstanden? Ich finde, der Verband ist viel zu sehr in die Defensive gegangen und hat damit das Geschäft von RTL betrieben. Ich habe mir den Beitrag angesehen und journalistisch nicht überzeugend gefunden. Aus Furcht vor Kritikern zu handeln, schwächt die eigene Position. Sie haben 30 Jahre lang über Pferdesport geschrieben, was hat sich in dieser Zeit verändert? Es hat sich alles extrem verändert. Die Einstellung zur Nutzung von Pferden ist heute grundlegend eine andere. Vor 30 Jahren waren überwiegend jene Leute Reiter, die Pferde noch aus der Landwirtschaft kannten. Daran erinnert sich heute niemand mehr. Heute geht es um eine reine Freizeitnutzung. So hat sich der Begriff von der Arbeit mit Pferden völlig verändert. Früher haben Pferde für Menschen gearbeitet, so wie ein Ochse einen Wagen zieht. Heute wird die Sinnfrage gestellt, ob man Pferden zum eigenen Vergnügen Leistungen abfordern sollte. Partiell ist die Kritik daran übertrieben, partiell berechtigt. Ich sehe im PferdeZur Person: Evi Simeoni Evi Simeoni ist eine mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Journalistin. Die meiste Zeit hat sie für die FAZ geschrieben, vieles über Reiten. In Stuttgart hat die FN ihr das Deutsche Reiterkreuz in Silber verliehen. Was viele Zuschauer in der Schleyer-Halle nicht wussten: Evi Simeoni (64) ist in Stuttgart-Degerloch aufgewachsen. Hier hatte sie bei einem benachbarten Landwirt Kontakt zu Pferden und begann zu reiten. Nach dem Abitur begann sie ein Volontariat bei der Stuttgarter Zeitung und lernte dort den Pferdesport-Experten Thomas Borgmann kennen, einst Mitbegründer des Reiterjournals und Träger des Deutschen Reiterkreuzes in Silber. sport vieles, was meiner Ansicht nach bewahrt werden muss. Dem richtigen Umgang der Menschen mit Pferden liegt eine Kultur zugrunde, die sich über Jahrtausende entwickelt hat. Für mich ist das eine Art Menschheitswissen. Hatten Sie als Journalistin Kontakt mit Tierschutzorganisationen? Ich habe im privaten Bereich sehr gute Erfahrungen mit diesen Organisationen gemacht und finde sie sehr wichtig. In der Medienwelt stört mich aber die gelegentliche Neigung, die Bekanntheit von Sportlern auszunutzen, gewissermaßen als Trittbrettfahrer, und um der öffentlichen Aufmerksamkeit willen dann nicht mehr zu differenzieren. Das finde ich unredlich. Was halten Sie von dem Argument vieler Reiter, sie seien Tierschützer? Das stimmt teilweise. Gute Reiter sind Tierschützer, schlechte Reiter nicht. Aber ein erfolgreicher Reiter ist nicht immer ein guter Reiter. Machen Sie sich Sorgen um den Journalismus? Ich mache mir Sorgen um die Medienentwicklung. Ich habe gelernt, dass Qualität bei der Recherche und in der Sprache das wichtigste Kriterium für guten Journalismus ist. Die starke Orientierung am Netzerfolg wirkt aber dagegen. Die Qualität muss leiden, wenn es vor allem um Reizthemen und Schlagworte geht. Journalisten haben die Aufgabe, den Menschen die Grundlagen für ein eigenes Urteil zu bieten. Das Netz hat aber seine eigenen Gesetze. Man liest so viel Unsinn im Netz. Ich persönlich würde ohne eine gedruckte Qualitätszeitung das Abenteuer vermissen, beim Blättern auf von klugen Leuten präsentierte Themen zu stoßen, von denen ich vorher gar nicht geahnt hatte, dass sie mich interessieren. Im Pferdesport gibt es mittlerweile große Turnierställe, die mit eigenen Magazinen auf den Markt kommen. Wie beurteilen Sie das? Naja, ich hoffe doch, dass sich die Leute damit nicht zufrieden geben. Es ist doch erkennbar, dass es sich hierbei um Eigenwerbung handelt. Es hat immer genug intelligente Menschen gegeben, die das einschätzen können. Schon ihretwegen muss der Qualitätsjournalismus in moderner Form überleben. Würden Sie den Beruf wieder ergreifen? Ja klar, es ist der schönste Job der Welt. Das Interview führte Roland Kern.
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