REITERJOURNAL-EXTRA 2022 - Samstag

Samstag, 12. November 2022 Rei ter journal -Ext ra Seite 27 Ingrid Klimke, nach einigen Starts im deutschen Vielseitigkeitsteam sind Sie dieses Jahr bei der WM in Herning in der Dressurmannschaft geritten. Sie haben den Vergleich: Sind die Dressurreiter wirklich so ernst und verbissen, wie man es ihnen nachsagt? Nein, gar nicht. Ich habe mich total wohlgefühlt, wir waren eine echt gute Truppe. Beni Werndl, Frederic Wandres und ich waren ja Neulinge im Team, Isabell Werth ist sehr erfahren, das war eine gute Mischung. Wir wurden von Monica Theodorescu und Jonny Hilberath hervorragend trainiert, so dass sich mein Franz sogar im Turnier gesteigert hat. Es hat viel Spaß gemacht. War das jetzt der Einstieg in den kompletten Umstieg ins Dressurlager? Nein, keineswegs. Das war in diesem Jahr wegen ein paar Terminkonflikten nur nicht so einfach, aber ich freue mich sehr darauf, künftig beides miteinander zu verbinden. Für die Vielseitigkeit habe ich gute Nachwuchspferde und in der Dressur ist Franz mit 14 Jahren so weit, dass er viele Pausen einlegen kann und nicht mehr viele Turniere gehen muss. Wenn man ein so tolles Team zuhause hat wie ich, dann kann man beides machen. Schalten Sie im Training eigentlich um zwischen Dressur und Vielseitigkeit? Nein, gar nicht. Zunächst müssen bei allen Pferden die Grundlagen der Ausbildung stimmen, das kleine Einmaleins. Auch meine Dressurpferde werden aber auch im Gelände gearbeitet und zum Beispiel über Cavaletti. Irgendwann hat das Training andere Schwerpunkte, beim Dressurpferd mehr in den Lektionen und der Versammlung, beim Vielseitigkeitspferd mehr Kraft und Kondition im Gelände, aber sie werden zuhause auch in gleicher Weise gehalten. Sie standen schon immer für eine Art etwas – sagen wir: weniger angespannt – zu reiten, haben Sie das Gefühl, dass diese Art ein Trend geworden ist? Ingrid Klimke über ihr Debüt im deutschen Dressurteam, die Einflüsse ihres berühmten Vaters und ihre Lust auf die Kür am Samstag bei den German Masters Ich habe schon das Gefühl, dass sich beim Dressurreiten im Vergleich zu anderen Zeiten etwas geändert hat. Früher wurde ich im Dressurlager so ein bisschen angeschaut in der Art: Sie schaut mal bei uns vorbei, aber sie gehört nicht dazu. Das hat sich geändert. Mein Vater hat immer gesagt: Denk daran, es muss gut aussehen. Sie sprechen von Ihrem Vater, Dr. Reiner Klimke, voller Hochachtung … Er war mein erster und wichtigster Trainer. Wie oft reitet er innerlich mit, wenn Sie auf dem Pferd sitzen? Sehr oft. Ich frage oft, was hätte Papa jetzt gesagt, wie hätte er jetzt trainiert? Ich habe das total verinnerlicht. Gemeinsam mit Ihrem Mentor Paul Stecken steht er für den Satz „Richtig Reiten reicht.“ Gilt dieser Satz heute immer noch? Ja, uneingeschränkt. Dabei geht es ja um das richtige Gymnastizieren der Pferde, das muss richtig gemacht werden. Es geht um die Grundlage wie das richtige Lösen, um die Skala der Ausbildung und um die Gesunderhaltung der Pferde bis ins hohe Alter. Aber die Pferde sind feiner geworden, die Trainingsmethoden moderner, es gibt Pferde- Physiotherapie und andere Traningsergänzungen, sollte man darauf lieber verzichten? Nein, das will ich so nicht sagen. Alles hilft, was das Verständnis für Pferde weckt, was der gemeinsamen Sprache zwischen Reiter und Pferd hilft. Früher war bei den Reitern sicher mehr Verständnis für das Pferd vorhanden, heute muss einiges gelernt werden, was früher selbstverständlich war. Da helfen solche Dinge, wenn sie gut gemacht sind. Mein Vater hat immer gesagt: Du musst dafür sorgen, dass dein Pferd dein bester Freund ist. Warum schaffen es die Pferdesportler im Moment nicht so recht, dass diese Gedanken von den Tierschutzorganisationen anerkannt werden? Wir müssen uns noch mehr öffnen, denn die Diskussion um den Pferdesport wird leider zu viel von Menschen geführt, die sich mit Pferden gar nicht auskennen. Ich biete zum Beispiel regelmäßig ein offenes Training an, bei dem alle Menschen zuschauen können. Wir müssen zeigen, dass ein korrektes und abwechslungsreiches Training praktizierter Tierschutz ist. Pferde sind Tiere, die gerne etwas arbeiten, die wollen raus. Ich kenne einige, die sehen den turnierbereiten LKW und wollen da rein. Müssen wir also selbstbewusster werden? Es ist eine Gratwanderung. Ich finde, einerseits müssen wir die Tierschutzorganisationen ins Boot holen. Wir müssen ihnen erklären, schaut, wie es wirklich ist. Aber andererseits dürfen wir auch nicht einknicken. Wir können deshalb Sport mit unseren Pferden machen, weil wir korrekt und tiergerecht mit ihnen umgehen, weil wir mit ihnen arbeiten. Ich könnte mit Gewalt nie ein 650 Kilo schweres Lebewesen zu etwas bewegen, was es nicht will. Wer so etwas behauptet, kennt sich wirklich nicht aus. Konkret zu Stuttgart, was erwartet denn die Zuschauer der Weltcup-Kür am Samstagmittag? Wegen Corona bin ich sie noch nicht so oft geritten. Es ist eine Kür, die hoffentlich gute Laune macht. Es ist eine fröhliche Kür, das Gegenteil von getragen und ernst. Mir jedenfalls macht sie jedesmal gute Laune, wenn ich sie reiten darf. Das Interview führte Roland Kern. Foto: TOMsPic „Eine Kür für gute Laune“

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